Foto: Richard Juilliart – UEFA/UEFA via Getty Images

Der UEFA – Präsident spricht über zahlreiche Veränderungen im europäischen Fußball, über den Superligafall, über die Fußballphilosophie und über die Sommer auf Hvar

Aleksander Čeferin entstammt einer angesehenen Anwaltsfamilie. Das Gefühl für Recht und Gerechtigkeit wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt – durch den Großvater, der Professor an der juridischen Fakultät war und durch den Vater, in dessen Anwaltskanzlei er, nach dem Studium, seine Karriere startete. Als er 2011 zum Präsidenten des Fußballverbandes Sloweniens gewählt wurde, begann auch seine Fußballkarriere. Bei der Wahl 2016 wurde er zum UEFA – Präsidenten gewählt und 2019 wurde ihm auch ein zweites Mandat an der Spitze des europäischen Fußballs zuteil.

Sie sind der Präsident der UEFA seit 2016. Was würden Sie als positive bzw. negative Aspekte in diesen sechs Jahren an der Spitze einer der größten Fußballorganisationen besonders hervorheben?

Das war eine phantastische Reise. Ab 2020 erlebten wir bis dahin nie gewesene Ereignisse, die nicht nur den Fußball sondern auch das Leben, wie wir es kennen, in Frage stellten. Es begann alles mit der Pandemie, die in egoistische Projekte mündete, welche zum Untergang des Fußballs, wie wir ihn kennen, geführt hätten. Und jetzt haben wir den fürchterlichen und unbeschreiblich tragischen Krieg, der auf dem europäischen Kontinent wütet. Aber trotz all dieser Hindernisse zeigte sich der Fußball vitaler denn je. Warum? Deswegen, weil die UEFA und die europäische Fußballfamilie ab dem ersten Tag ihrer Existenz vereint ist und diese Einheit ist nicht nur eine Fassade. Im Gegenteil, diese Einheit ist wahrhaftig und stark. Wir alle zusammen, ohne Ausnahmen, wurden mit Hindernissen konfrontiert. Wir haben miteinander geredet, aufeinander gehört und Lösungen gefunden. Alle diese Krisen haben bewiesen, dass der Fußball in der DNA unserer Gesellschaft tief verwurzelt ist. Er ist Teil der Geschichte unseres Kontinents und unserer kollektiven Erinnerung.
Zum Beispiel, UEFA hat niemals davor den Abhaltungsort des Champions League – Finales ändern müssen und jetzt mussten wir das, wegen verschiedener Probleme, dreimal in drei Jahren tun. Und wie kompliziert es war, die EURO League um ein Jahr zu verschieben und diese danach in 11 verschiedenen Ländern zu organisieren, inmitten der COVID 19 – Pandemie, darüber möchte ich lieber nicht reden. Und es ist uns, trotz allem, jedes Mal gelungen. Ich muss zugeben, dass ich darauf sehr stolz bin.

Das vorige Jahr wurde besonders durch den Superligafall gekennzeichnet. Wie sehen Sie das heute, einige Monate später?

Das war nur eine der vielen Krisen mit welchen wir in den letzten Jahren konfrontiert wurden. Das war eine Idee, die dem Wesen des Fußballs widerspricht. Der europäische Fußball ist viel mehr als ein gewinnbringendes Geschäft, wofür ihn manche oberflächlich halten. Man kann die über 160 Jahre der Fußballgeschichte und der Fußballphilosophie nicht vernachlässigen. Man kann die Fußballfans nicht als Käufer behandeln. Es ist auch kein Wunder, dass die Revolte in ganz Europa derart stark und laut war. Der Fußball gehört den Spielern und den Fans, sodass sich ihre spontanen Reaktionen schnell von den Straßen und den Stadien ausgehend über die ganze Fußballwelt ausbreiteten. Binnen einiger Minuten begann das schlecht gebaute Kartenhaus einzustürzen.

Was haben Sie aus dieser Krise gelernt?

Die wertvollste Lektion, die wir alle gelernt haben, ist, dass der Fußball nicht zum Verkauf steht. Der Fußball gehört uns allen, den wahren Liebhabern des Fußballs. Seine Wurzeln sind tief im Wesen der europäischen Kultur und deren Identität verankert und er kann uns von niemanden weggenommen werden.
Die zweite Lektion ist jene von der Einheit. Wenn die europäische Fußballfamilie zusammenhält, braucht sie sich vor niemanden zu fürchten. Wenn es keine Feinde innerhalb dieser Familie gibt, kann uns ein Feind von außen keinen Schaden zufügen.

Diese Frage mag vielleicht banal klingen, aber was ist Fußball für Sie?

Man kann selten eine Sportart finden, die im Grunde genommen und in ihrer Philosophie derart einfach und doch so komplex ist. Ähnlich wie unser Planet, der Ball dreht sich weiter, jahraus jahrein und bietet uns die Möglichkeit einzigartiger Erinnerungen und emotionaler Erlebnisse. Gleichzeitig geben sie uns beide wertvolle Lektionen über Pflicht, Teamarbeit und Selbstbewusstsein. Das ist wahrhaftig die Schule des Lebens.

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