Photo: Ana Roš und Hiša Franko Archive
ANA ROŠ
Beste Chefköchin der Welt
Eineinhalb Stunden vor Beginn des Abendessens, anlässlich der ersten Zagreber Messe schöner und wertvoller Dinge – Zagreb Winter FairYtale, hält die Chefköchin Ana Roš die Besprechung mit ihrem Team ab. Sie spricht leise, leidenschaftlich und deutlich, aber autoritär. Die Mitglieder des Teams hören zu und nehmen jedes Wort auf, wie Studenten während einer Vorlesung. Um es sportlich auszudrücken – Ana Roš wirkt wie der Trainer vor einem wichtigen Spiel. Es wird jedes Detail des Menüs besprochen und alle dafür verwendeten Lebensmittel. Es werden auch die verschiedenen Techniken des Zubereitens erklärt. Nach der Besprechung ist jeder Person im Team ihre Rolle völlig klar und die Zubereitung des Abendessens kann beginnen.
Ana Roš begann zu kochen aus purer Notwendigkeit, als sie 30 Jahre alt und im dritten Monat schwanger war. Eigentlich sollte sie eine Diplomatische Karriere machen und einen Arbeitsplatz in Bruxelles bekommen, aber das Schicksal wollte es anders – sie lernte ihren Ehemann Valter kennen, dessen Eltern Eigentümer der Hiža Franko waren. Und es geschah – die Liebe. Die mächtigste Kraft, die alle Vorurteile aus dem Weg räumt.
„Als Kind wollte ich Botschafterin in Tansania werden und neben dem Pool an Cocktails nippen. Und wenn ich es gerade schwer habe, denke ich manchmal, dass diese Option eine leichtere gewesen wäre. Meine Familie hat mehr von mir erwartet. Vor allem deswegen, weil sich bei uns die Meinung etabliert hat, dass Menschen die sonst zu nichts taugen, Köche werden.
Das sei eine Tätigkeit für Loser, eine Tätigkeit für die man nicht den Kopf, sondern nur die Hände brauche. Meine Bestimmung war, dass ich doch Botschafterin meines Landes wurde, aber nicht als Diplomatin. Durch meine Gerichte erleben Menschen aus der ganzen Welt auch mein Land – Slowenien.“
Drücken wir es wieder in der Sprache des Sports aus. Ana Roš gelang eine Revolution in der Welt der Gastronomie, wie seinerzeit Janica Kostelić in der Welt des Skisports. Ähnlich wie Kroatien, das sozusagen mit einem halben Berg die dominanteste Skirennläuferin mit Weltrang bekam, bekam auch Slowenien die beste Chefköchin der Welt, bildhaft gesagt, nahezu aus dem Nichts. In den Gastronomiekreisen hört man oft, wie leicht es die Italiener und die Franzosen haben, denn früher oder später werden sie von Michelin, Gault & Millau oder von L’Espresso entdeckt. Aber, wenn Sie in Kobarid leben und arbeiten, ist dies eine Mission impossible, weil der Michelin Restaurantführer Slowenien nicht in seinem Programm hat. Umso faszinierender ist Anas Geschichte. Sie hat den Titel der besten Chefköchin der Welt erworben, obwohl sie aus einem in der Gastronomie noch immer unbekannten Land kommt.
„Das ist meine persönliche Erklärung und das ist auch der Grund dafür, dass ich den Preis angenommen habe. Denn das ist ein Preis für unglaublich gewagte Frauen, Frauen, die in einer völlig männlich dominierten Welt, die psychologische und physische Kraft verlangt, erfolgreich sind. Deswegen ist das wirklich eine große Herausforderung. Es wird immer eine Kluft zwischen Männern und Frauen existieren, aber das ist naturgemäß so.“