Foto: Edi Matić /Fraktura

Ich hatte große Angst davor, dass Leute sagen werden, ich sei nicht fähig gut zu schreiben

David Lagercrantz ist ein unprätentiöser, introspektiver Mensch. Der ehemalige Journalist, schon seit langem ein global populärer Schriftsteller, spricht über die eigenen Emotionen in der Öffentlichkeit genau so offen, wie er auch über das Laben seiner Romanhelden schreibt. Lagercrantz befindet sich, neben einigen anderen Namen, an der Spitze der glorreichen nordischen Thriller-Produktion. Er entstammt einer berühmten schwedischen Familie; sein Vater war Schriftsteller und Publizist, der Großvater Philosoph, seine Schwester, die Schauspielerin ist, ist in den letzten Jahren im diplomatischen Dienst des schwedischen Staates.
Er wuchs in einem Umfeld auf, in dem man von ihm erwartete, dass er ein Studium mit dem Doktorat abschließen und eine akademische Laufbahn einschlagen würde. Wenn nicht, sollte er zumindest Literaturkritiker werden. Zum Teil aus Protest gegen die elterlichen Erwartungen, wurde er Journalist und schrieb vor langer Zeit für schwedische Boulevardzeitungen in den Rubriken der schwarzen Chronik. Aber, ähnliche Abschnitte in seiner Biographie hat auch der große Mario Vargas Llosa. Als junger Mann, berichtete auch der peruanische Literat über Kriminalfälle. Später bekam er den Nobelpreis und blieb für immer Gabriel Garcia Márquez ebenbürtig.
Seine Weltberühmtheit erlangte Lagercrantz mit seinen biographischen Romanen. Als erstes veröffentlichte er das Buch über den schwedischen Alpinisten Göran Kropp und seine Besteigung des Mount Everest, danach die Biographie des Erfinders Håkan Lans. Seine Biographie des schwedischen Fußballers, bosnisch-herzegowinischer Abstammung, Zlatan Ibrahimović, wurde 2011 veröffentlicht, in dreißig Sprachen übersetzt und erzielte weltweit riesige Auflagen.
Nach dem Tod von Stieg Larsson, dem Autor der auf der ganzen Welt erfolgreichen schwedischen kriminalistischen Trilogie „Millennium“, wurde Lagercrantz vom Verlagshaus Norsteds, im Einvernehmen mit den Erben Larssons, beauftragt weitere Fortsetzungen des Kriminalromans zu schreiben und er setzte fort, wo Larsson aufgehört hat („Verblendung“, „Verdammnis“, „Vergebung“). Er übernahm Larssons Romangestalten und schrieb noch drei Folgen von „Millennium“. In diesen erzählt er von Lisabeth Salander, einer talentierten Frau mit traumatischer Vergangenheit und von Mikael Blomkvist. David Lagercrantz wurde in der Welt genauso bekannt wie Larsson, der aber die Popularität seiner Bücher nicht erlebte. Jede Fortsetzung des „Millenniums“ („Verschwörung“, „Verfolgung“, „Vernichtung“) erwarteten die Leser von Europa bis Asien und Nord Amerika fieberhaft. Das Interesse für die Lagercrantz Romane war derart groß, dass Verleger auf der ganzen Welt die Übersetzungen innerhalb des Monats, in dem der Roman in Schweden erschienen war, bereits veröffentlichten.
Nach der zu Ende geschriebenen sechsten und letzten Folge von „Millennium“ hatte Lagercrantz genug davon und kündigte an, eine Serie von Thrillern schreiben zu wollen, mit neuen Gestalten und nicht mehr mit Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist, die er von Larsson übernommen hatte. Auf der ganzen Welt gibt es nicht viele Autoren, die ohne einen Satz geschrieben zu haben, Bücher verkaufen, lukrative Verträge abschließen und für Urheberrechte für das Erscheinen der Bücher in zig Ländern viel Geld einnehmen, während diese Bücher zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung erst in ihren Köpfen existieren. Das ist David Lagercrantz gelungen. Ende des vorigen Jahres veröffentlichte er den Roman „Obscuritas“, der innerhalb von nur einigen Monaten in fünfundzwanzig Ländern erschienen ist.
Auf die Frage, ob es schwieriger war das Schreiben von Romanen fortzusetzen, mit Gestalten, die von Stieg Larsson geschaffen worden sind, oder ein neues, ambitioniertes Werk in fünf Büchern, mit neuen Gestalten, zu beginnen, verheimlicht er nicht, dass er an „Obscuritas“ lang geschrieben hat und, dass ihm das Schreiben schwer gefallen ist. Eine Zeit lang sei er nur da gesessen und dachte nach, erzählte er, und dass er fünfzig, sechzig Seiten geschrieben und dann alles, unzufrieden, wieder gelöscht hatte.

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