Photo: Petar Fabijan

ENRICO MAROTTI

Weltmeister im windsurfen

Das Fußballsilber bei der Weltmeisterschaft haben die Kroaten vorigen Sommer, auf Straßen und Plätzen exaltiert gefeiert. Viele Kroaten sind heute noch der Meinung, dass das russische Silber eigentlich Gold sei und obwohl es kein Gold ist, es glänzt für viele wie Gold. Eineinhalb Monate später kam von der Weltmeisterschaft im Windsurfen wirkliches Gold nach Rijeka, wurde aber von der kroatischen Öffentlichkeit nur wenig beachtet. Das erste derartige Gold in diesem Land. Enrico Marotti, ein Bürger von Rijeka, wurde an der Nordsee, in Dänemark, erster. „Es ist völlig normal, dass Fußball vom Großteil der Menschen geliebt wird. Auch ich liebe ihn. Dieses Fußballfieber brachte auch einen willkommenen Optimismus mit sich. Würden wir aber logisch denken, müsste dieses Land viel mehr in das Segeln und Surfen investieren. Denn, in Kroatien gibt es nicht hunderte moderne Fußballstadien, aber wir haben an die tausend Inseln, die nicht von Menschenhand geschaffen, sondern uns geschenkt worden sind; wir verfügen über tausende von Plätzen, die für das Segeln und Surfen wie geschaffen sind. Es geht mir nicht um die persönliche Promotion, aber ich möchte diesen Umstand, dass Kroatien jetzt einen Weltmeister im Windsurfen hat, dazu nützen, möglichst viele junge Menschen für das Surfen zu begeistern, denn Fußball können sie im Winter zur Genüge spielen.“, sagt Marotti lachend.

„Der Ruhm interessiert mich überhaupt nicht. Ich liebe das was ich mache und das ist mir viel wichtiger als der Ruhm.“, so Marotti. Der Wind spielt mit den Locken des Sportlers und bringt einen winzigen Mohrenohrring an seinem linken Ohr zum Vorschein. Diese Art von Ohrring – ein kleiner Mohrenkopf mit weißem Turban – ist für Leute aus Rijeka und Umgebung typisch. „Ich trage diesen Ohrring seit ich ihn bekommen habe, seit ich vierzehn war. Ich habe ihn geerbt. Alle in meiner Familie haben diese kleinen Mohrenohrringe getragen, seit Generationen ist es so.“, sagt er und dreht an seinem Ohrring. Wir reden noch eine Weile über die kleinen Mohrenköpfe, denn Tradition und der Kvarner sind Marotti sehr wichtig.

Es gibt Angaben, welchen zufolge fast die Hälfte der Kvarner Bevölkerung einen kleinen Mohren, den so genannten „morčić“ trägt. Männer selten, aber Frauen sehr oft. Der Surfer erzählt, dass einer Legende zufolge, dieser Schmuck mit den Turbanen der Türken in Verbindung steht, welche sie, im 16. Jh. nach dem misslungenen Angriff auf Rijeka, bei der Flucht hinterlassen haben.

Eine zweite Legende besagt, dass der „morčić“ aus jener Zeit stammt, als eine namentlich unbekannte Comtesse ihrer schwarzen Dienerin, die sie sehr mochte, die Freiheit schenkte. Als Erinnerung an sie, ließ sie Ohrringe mit ihrem Antlitz anfertigen.
An diesem Morgen, an dem wir mit Marotti gesprochen haben, hatte er sein letztes Training für das Jahr 2018 „zu Hause“, an der Adria, absolviert. Morgen fliegt er nach Hawaii, zum Wintertraining. Bis Weihnachten wird er nicht mehr nach Hause kommen, und wenn überhaupt, dann nur für kurze Zeit, da er anschließend zweieinhalb Monate auf Teneriffa trainieren.

Das Wasser rinnt von ihm ab während er das Brett und das Segel aus dem Meer hebt und schnellen Schrittes zum Auto geht, das am Ufer geparkt ist. Er öffnet die Tür und in derselben Sekunde springen aus dem Auto Shaka und Ares. Sie haben auf den Besitzer gewartet. Beim Surfen hat er mit den Hunden festgefahrene Rituale: Ares und Shaka beobachten jeden Morgen Enrico auf dem Surfbrett im Meer. Das Auto parkt er so, dass sie ihn beobachten können. Sie schauen ihm aus dem Auto zu und wissen, dass sie geduldig warten müssen bis der Besitzer zurückkehrt und anschließend mit ihnen spazieren geht. „Es kam auch vor, dass meine Hunde um sechs Uhr früh, mit der Pfote die Hupe in meinem Auto betätigten und ganz Volosko aufweckten. Ich musste ihnen erst beibringen, dass sie, obwohl sie auf dem Vordersitz im Auto sitzen, wie im Kino, in der ersten Reihe und mir beim Surfen zuschauen, die Hupe auf keinen Fall und nie mehr berühren dürfen.“, erzählt er kopfschüttelnd. Shaka ist ein Pitbull den er aus dem Tierheim in Pula bei sich zu Hause aufgenommen hat und Ares ist ein Pudel, der Hund seiner Partnerin. Heute war Tramuntana nicht dabei, Enricos Hund den er vor einigen Jahren aus dem Hundeasyl in Zagreb zu sich nach Hause mitgenommen hat. Den Hunden gab er Namen, die im Vokabular der Surfer wichtig sind – Shaka ist der Gruß der Surfer und Tramuntana – „ich glaube, es ist nicht notwendig Ihnen zu erklären, was Tramuntana für mich bedeutet, wenn sie hier, in meiner Bucht bläst und ich auf das Surfbrett steige.“, fügt er an und breitet die Arme aus.

Allen riesigen Ozeanwellen und verschiedenen Weltmeeren zum Trotz, trainiert Marotti auch heute noch am liebsten in der Bucht Preluk, eigentlich zu Hause, in Volosko, einem Ort nahe Rijeka, dort wo er aufgewachsen ist und wo er als kleiner Junge zu surfen begonnen hat.

Nachdem er in Dänemark, als einer von siebenundsechzig Wettkämpfern das Gold gewann, bereiteten ihm seine Mitbürger einen Empfang welcher ihm sehr nahe ging: „Es gibt nur einen Ort auf der Welt den man Heim nennen kann.“, sagt er gerührt.

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